Ein Hexenprozess 1658 – 1660

Ein Prozess, der vor dem Leipziger Schöppenstuhl verhandelt worden ist.

Im Jahre 1658 starb in dem Dorfe Wehlitz bei Magdeburg dem Hirten Hans Brose ein Kind. Die Mutter erzählte darauf, ihr Kind sei keines gewöhnlichen Todes gestorben, sondern von einer Nachbarin, der Anna Eve, mithilfe von Zauberei getötet worden. Nachdem das Gerede im Dorf nicht aufhören wollte, ging schließlich der Mann der Anna Eve auf das Gericht im nahegelegenen Gommern und erstattete Anzeige gegen Frau Brose.

Daraufhin wurden die beiden Frauen am 17.12.1658 verhört. Die Angeklagte, Frau Brose, sagte aus, dass ihre beiden Töchter im Sommer neben dem Haus der Eves gespielt hätten, woraufhin Frau Eve erschienen wäre und die beiden als Teufelskröten bezeichnet hätte. Der Kleineren hätte sie dabei dreimal auf die Hand gespuckt. Kurz darauf hätte diese über Schmerzen geklagt. In ihrem Bett fanden sich Würmer wie große Fliegen. Das Kind verstarb.

Frau Eve hingegen beteuerte, davon nichts zu wissen und schilderte ihre Sicht: Sie hatte damals Leinwand zum Bleichen auf der Wiese liegen. Dann bemerkte sie, dass Kinder darauf herumgelaufen seien. Da habe sie in ihrem Ärger zu sich selbst gesprochen, sie wollte, „dass die Kinder hart und treuge würden, zur Strafe dafür, dass sie ihre Leinwand nicht in Frieden ließen“. Gesehen habe sie aber keine Kinder.

Der Ortspfarrer erklärte dazu, er trüge Bedenken, Frau Eve zur Beichte und zum Abendmahl zuzulassen, ehe sie sich von der Anklage der Hexerei gereinigt habe.

Im Februar 1659 kam das Gericht aus Gommern nach Wehlitz und befragte alle Dorfbewohner/innen zur Sache. Über die Eves wurde nur Gutes gesagt, bis auf drei Frauen, die erzählten, einen fliegenden Klumpen Feuer gesehen zu haben, der im Eve’schen Haus verschwunden sei. Die Aussagen schickte das Gericht nach Leipzig an den kurfürstlich sächsischen Schöppenstuhl. Dieser befahl dem Gericht, Anna Eve sofort ins Gefängnis zu bringen und zu befragen. Alles solle dokumentiert und nach Leipzig geschickt werden.

Anna Eve kam in das Gefängnis zu Gommern und wurde verhört. Dabei wies sie die Schuld am Tod des Kindes, als auch jegliche Verbindung zur Zauberei von sich, soll jedoch die ganze Zeit über gelächelt haben.

Nachdem das Protokoll nach Leipzig geschickt worden war, hieß es in der Antwort, die Angeklagte werde beschuldigt, das Kind der Broses verhext zu haben und einen Drachen zu besitzen. Sie leugne zwar beides, doch sei davon auszugehen, dass sie von der Verhexung des Kindes gewusst habe. Zudem hätten Zeuginnen beobachtet, wie ein fliegender Klumpen Feuer in ihrem Haus verschwand. Die Angeklagte solle der Folter unterzogen werden.

Am 8. Oktober 1660 wurden Anna Eve die Fragen des Leipziger Schöppenstuhls vorgelegt. Als sie darauf ihre Unschuld beteuerte, wurde sie dem Scharfrichter übergeben. Ihr wurden Daumenschrauben angelegt und sie wurde gefragt, ob sie mithilfe von Zauberei das Kind der Broses verhext habe. Anna Eve beteuerte, keine Hexe zu sein und sonst nichts weiter zu wissen. Dass sie das Kind verwünscht habe, sei lange vor dessen Krankheit geschehen. Hierzu wurde im Protokoll vermerkt, dass Anna Eve zwar so getan habe, als würde sie weinen, jedoch keine Tränen zeigte.

Nach dem Anlegen der spanischen Stiefel wurde sie gefragt, wie sie das Kind verzaubert habe, worauf sie betonte, nichts zu wissen. Dabei fluchte sie auf Brose‘s, da sie das Kind nicht angerührt habe und keine Hexe sei. Gott könne dies bezeugen. Anna Eve wurde auf die Leiter gezogen und die spanischen Stiefel enger geschraubt. Auf die Frage, ob sie mit dem Drachen oder anderem Bösen verbündet sei, antwortete sie, noch nie einen Drachen gesehen zu haben, noch den Teufel zu kennen. Sie könne nichts zugeben und würde unschuldig gefoltert. Der Gerichtsschreiber notierte, dass die Angeklagte weder Tränen vergossen, noch vor Schmerz geschrien habe, sondern stets ihre Unschuld betonte. Während der Folter sei sie allerdings zweimal eingeschlafen, einmal habe sie geschnarcht. Ihr Gesicht hatte die Zeit über stets eine gesunde Farbe. Ihr Körper zeigte keine Zeichen der Folter. Der Leipziger Schöppenstuhl empfand dies als besonders verdächtig. Aus diesen Gründen sollte sie nochmals gefoltert werden.

Am 3. November 1660 wurde die Angeklagte vom kurfürstlich sächsischen Amtsschöff er befragt. Sie beteuerte ihre Unschuld, zeigte aber keine Tränen – und wurde wieder dem Scharfrichter übergeben. Ihre Hände wurden mit Leine eingeschnürt, die spanischen Stiefel angezogen. Da Anna Eve nicht auf die gestellten Fragen reagierte, unterbrach der Scharfrichter die Folter, um einen Trank aus Leber, Galle und Johanniskraut zu kochen, um mit ihm den Teufel aus der Angeklagten zu vertreiben. Nachdem ihr der Trank verabreicht wurde, ging die Verhandlung weiter. Ihre Körperhaare wurden mit Feuer versengt.

Nach einer Stunde an der Leiter beteuerte sie abermals ihre Unschuld, dabei betete sie. Aufgrund ihres normalen Sprechens und der gesunden Gesichtsfarbe wurde sie mehrfach mit brennendem Schwefel beworfen, die Leiter gerüttelt. Sie musste ein weiteres Mal den Trank trinken. Danach rief sie: „Du Sohn Davids, erbarme dich mein!“ Daraufhin schwieg sie für eine Weile und antwortete nicht mehr auf Zurufe.

illustriert von Caroline Sander, Leipzig 2017

Doch ihr Gesicht behielt seine Farbe. Sie vergoss weder Tränen noch Schweiß. Die Prozedur wurde ein drittes und viertes Mal wiederholt. Als die Angeklagte danach noch auf der Leiter lag, ist einschwarz-roter Schmetterling um sie und den Scharfrichter herumgeflogen. Ihm sah sie nach. Der Schmetterling flog an das Fenster, blieb dort eine Weile und flog dann hinaus. Da verzog sich das Gesicht der Angeklagten. Sie riss den Mund weit auf und redete nicht mehr. Ihre Lippen wurden blau. Sobald der Falter verschwunden war, wurde die Angeklagte still. Als sie von der Leiter gehoben wurde, lebte sie noch, doch kurz darauf war sie tot. Die Glocke hat eben acht geschlagen.

Das Urteil von Rechts wegen, kurfürstlich sächsische Schöppen zu Leipzig: Sie habe zwar während der Folter nicht gestanden, doch gebe es starke Zeichen gegen sie, zum Beispiel den Falter. Sie solle deshalb ohne christliche Zeremonie, an einem absonderlichen Ort bestattet werden.1

 

Quelle:

1. Kommission des Leipziger Lehrervereins (1928): Leipzig in Geschichten und Bildern – Heimatkundliche Lesestücke zur Ergänzung der Leipziger Schullesebücher. Leipzig: Verlag der Dürr´schen Buchhandlung. S. 51-58

Zeichnungen: Caroline Sander, Leipzig 2017

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