Benedict Carpzov

Kupferstich von Johann R. Schildknecht nach einem Gemälde der Pegauer Malerin Margaretha Rastrum

Benedict Carpzov (27.05.1595 – 31.08.1666) ist zweifellos auch heute noch einer der umstrittensten Juristen, zumal – wenn es um die Thematik der Hexenverfolgung geht.

Das Leben Carpzovs

Benedict Carpzov wurde 1595 in Wittenberg geboren. 1610 begann er sein Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft an der Universität zu Wittenberg. Neun Jahre später erlangte er die juristische Doktorwürde. 1620 wurde er als Adjunkt im Schöffenstuhl zu Leipzig vereidigt. 1639 wurde er Senior (Vorsitzender) des Schöffenstuhles. Mit wenigen Unterbrechungen war er nun bis zu seinem Tode im Jahr 1666 im Schöffenstuhl tätig. Daneben war Carpzov Professor an der Juristenfakultät in Leipzig.

Benedict Carpzov und die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen

Seine „Practica Nova Imperialis Saxonica rerum criminalium“ und sein „Peinlicher Sächsischer Inquisitions- und Achtprozeß“1

Titelcover von Peinlicher Sächsischer Inquisitions- und Achtprozeß und Practica Nova

Wohl kaum ein Werk der deutschen Jurisprudenz wurde so kontrovers diskutiert wie die „Practica nova“. So schrieb Georg Längin 1888, dass die „Practica nova“ „in gewissem Sinne als der protestantische Hexenhammer bezeichnet werden kann“.2

„Practica nova“ besteht aus drei Teilen, die wiederum in je 50 Fragen (Questiones) gegliedert sind. Der erste und zweite Teil handeln das materielle Strafrecht ab. Der dritte Teil behandelt den Strafprozess. 1638 erschien dieser Teil in Deutsch als „Peinlicher Sächsischer Inquisitions- und Achtprozeß“. In den Questiones 44 – 50 aus Teil I behandelt Carpzov die Religionsdelikte. Unter ihnen auch die für die Hexenprozesse interessanten Questiones 48 – 50, in welchen sich Carpzov zu Magie, Aberglauben und Zauberei äußert.

Carpzov vertritt den hoch differenzierten Hexereibegriff, wie er im Hexenhammer (1486) entfaltet wurde. Mehr noch – er legt einen Schwerpunkt auf den Nachweis der Realität von Hexenflug und Hexensabbat. Im Zentrum des Hexerei-Deliktes stehen für Carpzov der Gebrauch teuflischer Künste und der Schadenszauber an Mensch und Tier. Mit dem Feuertod seien die zu bestrafen, die einen ausdrücklichen Pakt mit dem Teufel eingegangen sind.3

Auch die Teufelsbuhlschaft, ohne ausdrücklichen Pakt, sei mit dem Scheiterhaufen zu ahnden. Dies ist Thema in Questio 50. Er unterscheidet nun im Strafmaß: Für Personen, die mit abergläubischen Mitteln Krankheiten heilen oder Zauberei vertreiben, sieht Carpzov eine „mildere“ Strafe vor: Gefängnis, Landesverweis und Züchtigung mit Ruten. Breiteste Bevölkerungsteile gerieten so in Gefahr, in einen Hexenprozess verwickelt zu werden. Vor allem Personen, die in der Gesundheitspflege und Heilpraxis tätig waren: Segenssprecher, Gesundbeter, Kräuterweiber und Hebammen.4

Was nun die Folter im Hexenprozess anbelangt, bemerkt der Rechtshistoriker Stintzing:

„Und hier bewegt sich Carpzov in einem grauenvollen Zirkel: gestehen die Angeschuldigten, so ist ihre Schuld erwiesen, bleiben sie unter den Qualen der Folter standhaft, so lässt dies auf Gemeinschaft mit dem Teufel und seinen Beistand schließen[…]“.5

Benedict Carpzov und der Leipziger Schöffenstuhl

Der Schöffenstuhl war eine Institution, die aufgrund der eingehenden Akten entsprechende Rechtsauskünfte erteilte, z.B. ob und wie die Folter durchzuführen ist oder welche Urteile zu fällen sind. An die Urteile des Spruchkollegiums hatte sich der Richter in der Regel zu halten.

In einer durchaus nachvollziehbaren Berechnung kommt Heiner Lück zu der Feststellung, dass Benedict Carpzov an der Erstellung von 20.000 bis 22.000 Strafurteilen beteiligt gewesen sei.6 Anzumerken ist jedoch, dass sich die Zahlen schwer archivalisch verifizieren lassen. Von den ehemals 700 – 800 Spruchkonzept-Bänden der Zeit von 1487 bis 1707 sind nur noch 14 erhalten.7

Manfred Wilde hat zu den Hexen- und Zaubereiprozessen – bezogen auf o.g. Quellenlage bzw. die noch erhaltenen Spruchbände und fragmentarische Gerichts- und Prozessunterlagen – Folgendes ermittelt: Carpzov habe 23 Todesurteile, 30 Urteile zur Folter, 10 Urteile zur Landesverweisung und 11 Freisprüche veranlasst.8

Fazit

Zweifellos gehört Carpzov mit seinen Auffassungen zu den einflussreichsten Exponenten der Hexentheorie. Er war zwar kein Hexenjäger – aber mit der Schaffung neuer Grundlagen in der Rechtsprechung und Justiz mitverantwortlich für zahlreiche Urteile.

 

Quellen:

1. Dank geht an die Sondersammlung der UB Leipzig für die Kopien der hier verwendeten Bilder

2. Längin, Georg (1888): Religion und Hexenprozeß, Verlag: O. Wigand, S.202

3. Lorenz, Sönke (2000): Benedict Carpzov und die Hexenverfolgung. In: Jerouschek, Schild, Gropp (Hg.): Benidict Carpzov. Neue Perspektiven zu einem umstrittenen sächsischen Juristen. Tübingen: edition diskord, S. 91-110

4. Carpzov, Benedict (1996[org. 1635]): Practica Nova Saxonica Rerum Criminalium. Goldbach: Keip Verlag

5. von Stintzing, Roderich (1884): Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 2, München, S. 80

6. Lück, Heiner (2000): Benedict Carpzov (1595-1666) und der Leipziger Schöffenstuhl. In: Jerouschek, Schild, Gropp (Hg.): Benidict Carpzov. Neue Perspektiven zu einem umstrittenen sächsischen Juristen. Tübingen: edition diskord, S. 55-72

7. Wilde, Manfred (2003): Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen. Köln: Böhlau Verlag, S. 12

8. ebd.: S. 419

Portrait Carpzov: Kupferstich von Johann R. Schildknecht nach einem Gemälde der Pegauer Malerin Margaretha Rastrum
Titelblatt „Peinlicher Sächsischer Inquisition- und Acht-Proceß…“ von Benedict Carpzov, J. Ch. Tarnow Erben(Verl.), Leipzig, 1725
Cover der Practica Nova: Bibliothek des deutschen Strafrechts. I – Alte Meister 16.-18. Jahrhundert. Meister der Moderne, 19. Jahrhundert, 1996, 4. Reprint der Ausgabe von 1635, Goldbach: Keip Verlag

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