Martin Luther

Luthers Hexenbild

Martin Luther hat den Begriff der Hexe oder auch den der Zauberin nicht einheitlich verwandt. Zu seiner Zeit war das Hexenbild nicht klar gefasst, vielmehr wurden ihm unterschiedliche Phänomene zugeordnet und auch eine geschlechtliche Zuordnung war nicht eindeutig. Das spiegelt sich auch in Luthers Werken wider: Personen, die er mit Magie in Verbindung brachte, nennt er u. a. „Teufelshure“, „Vettel“, „Wettermacherin“, „Weissager“, „Zauberer“ oder „Zäuberin“. Diese Begriffe beziehen sich zwar zahlenmäßig gleichermaßen auf Frauen und Männer; jedoch ist die Wortwahl bezogen auf Frauen negativ konnotiert (z. B. „schändliche Wetterhure“). Frauen traute Luther in besonderer Weise eine Nähe zum Teufel, zu Hexerei und Schadenszauber zu. Das resultierte aus seiner „Geschlechterperspektive“: Frauen sind vom Teufel leichter zu verführen; schließlich hat Gott nicht ohne Grund den Männern die Priesterschaft übertragen:

„Die Frau verstand nicht wie der Mann, was sie nicht von Gott vernommen hatte, sondern mußte vom Mann erfahren, das, was sie in ihrer ‚Einfachheit‘ nicht verstanden hat. Adam hätte [die verbotene Apfelnahme] verhindern können. Paulus an Timotheus: Mögen eure Sinne nicht fehlgeleitet werden von der ‚Einfachheit‘ wie in Eva. Sorgfältig muß das da aus diesem Text beachtet werden: Satan versucht alle. Adam greift er nicht an. Immer greift er uns nämlich an der Stelle an, wo er uns für schwächer hält. So hat er Eva angegriffen, nicht Adam. …“1

Martin Luther unterstellte nicht allen Frauen eine Nähe zum Teufel. Er unterschied vielmehr zwischen „ehrlichen Weibern“ (Müttern, Schwestern, Ehefrauen) und „schändlichen Weibern“ (Prostituierte, Ehebrecherinnen und eben Zauberinnen). Trotz aller Unbestimmtheit in begrifflichen Fragen konzentrierte sich Luther, wenn es um die Verurteilung von Zauberei und Hexerei ging, vor allem auf die „alte Frau“.

„Das dritte Lebensalter ist das der alten Hexen (ventularum), oder derer, die sich mit ähnlichen Dingen wie diese abgeben, die mit dem Teufel ein Bündniß machen, von denen man überall Kunde hat. …“2

Luther sah in den alten Frauen die Gruppe, die den Teufelspakt eingehen und dann Böses wirken: Sie „blenden“ (Vorspiegeln falscher Tatsachen), sie können körperliche Gebrechen herbeiführen, sie sind verantwortlich für den Hexenschuss, können sogar den Tod bringen. Ihnen ordnet er sowohl das Wettermachen als auch das Verderben von Ernten und Vieh zu.

Teufelsglaube und Reformation

Martin Luther glaubte an Phänomene wie Teufelspakt und Teufelsbuhlschaft, an Wahrsagerei und „weiße Magie“. Für ihn gehörten sie in ein und dieselbe Kategorie. Sie dienten der Prüfung des Einzelnen: Nur wer an Gott glaubt, dessen Fürsorge erbittet und auf Gottes Rat hofft und vertraut, der ist auf dem rechten Pfad.

„Deshalb schöpfen wir die feste Hoffnung, daß wir auch forthin durch Christum Sieger sein werden wider den Teufel, und diese Hoffnung gibt uns einen festen Trost, so daß wir uns in allen Anfechtungen so aufrichten können: Siehe, der Satan hat uns zuvor auch angefochten und uns durch seine Täuscherei verlocken wollen zu Unglauben, Gottesverachtung, Verzweiflung etc., und hat doch nichts ausgerichtet, darum wird er auch künftighin nichts ausrichten. … Doch überwindet uns der Teufel bisweilen im Fleische, damit wir selbst auf diese Weise die Macht des Stärkeren wider jenen Starken erfahren möchten und mit Paulus sprechen [2 Cor. 12, 10.]: ‚Wenn ich schwach bin, so bin ich stark.‘ “3

Nach seiner Auffassung war auch die „alte Kirche“ samt ihrer Lehren und Gebräuche „eitel Menschenwerk“, ja sogar „reines Teufelswerk“; im Papst sah er den „Antichrist am Werk“. Ihm ging es um Bekehrung und Hinwendung zum rechten Pfad, Reformation verstanden als Erneuerung und Rückkehr zum wahren Glauben. Luther glaubte, überall die Wirkungen und Einflüsse des Teufels, der „satanischen Macht“ beobachten zu können, die sich nicht bloß über die Geister und Seelen der Menschen erstrecken konnte, sondern auch über deren Leib und Leben, deren Tiere und Habe, Haus und Hof, Feld und Weide. Mit einem Wort: über die ganze sichtbare Schöpfung. So nahm er auch den „Gegenwind“, der seiner Mission entgegen blies, als eine Bestätigung dafür, dass „ihm der Teufel überall persönlich in den Weg trat“ und das in vielerlei Gestalt. Aus dieser Überzeugung heraus kann er auch ohne Skrupel die Verurteilung von Zauberern und Hexen jedweder Art gutheißen. Sie sind vom „rechten Glauben abgefallen“, sind dem „Teufel anheimgefallen“ und verdienen es, bestraft zu werden. Das schließt auch die Todesstrafe ein; Luther hält sie für ein geeignetes Mittel in Sachen Hexerei und Teufelsglaube.

Ausbreitung des Luther´schen Katechismus und Hexenwahn

Von alters her glaubten die Menschen in ganz Europa an die Existenz von Hexen und Zauberern. So galten Hexen als mit Zauberkräften ausgestattete Personen, die sowohl heil- als auch unheilbringende Fähigkeiten besaßen. Bis ins ausgehende Mittelalter hinein taten Kirche und Staat den Volksglauben an Hexen und Zauberei noch als Aberglaube ab und straften eher milde.

Erst in der frühen Neuzeit, etwa eine Generation nach Luthers Tod (1546), begann das, was wir heute allgemein als Hexenwahn und -verfolgung bezeichnen. Dies geschah mit einer kaum mehr vorstellbaren Intensität und Ausbreitung in ganz Europa, besonders aber in den deutschsprachigen Ländern. 1529 erschienen in Wittenberg Luthers kleiner Katechismus („Enchiridion“) und großer Katechismus („Deutscher Katechismus“). Angetrieben durch die Möglichkeit des Buchdrucks fanden beide Katechismen eine nie erlebte Verbreitung; bereits 1536 erschien der „Deutsche Katechismus“ in 15. Auflage. Der große Katechismus Luthers diente nicht nur als Lehrbuch für Prediger oder als Handbuch für Luthers Schüler; vielmehr war es Luther selbst, der den großen Katechismus als wahres Hausbuch für alle Familien lobpries.

So fand mit der Ausbreitung des Luther´schen Katechismus auch sein Teufelsglaube weite Verbreitung. Vor allem seine Übersetzung der Zehn Gebote machten seine Überzeugungen in Bezug auf die Allgegenwärtigkeit des Teufels und seiner Verbündeten, der Hexen und Zauberer, zum Gemeingut des Volkes und leisteten so zumindest mittelbar dem Hexenwahn Vorschub.

Quellen:

1. Luther, Martin: Predigt über 1. Mose 3,1-6 vom 14.5.1523: Frauen vom Teufel bevorzugt, S. 130, W3,73.77 URL: http://archive.org/stream/werkekritischege14luthuoft#page/130/mode/2up

2. Predigt 6. Juli 1516 über die 10 Gebote, Das erste Gebot: Uber die Hexen, die mit dem Teufel einen Bund eingehen. W3, 1148ff S. 1148- S. 1158 URL:https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=mdp.39015074631790;view=1up;seq=589

3. Luther, Martin: Vorlesungen über den Galaterbrief, Gal 3,1. Oktober 1516. In: Dr. Martin Luthers Sämmtliche Schriften, herausgegeben von Dr. Joh. Georg Basch. 9. Band. St. Louis 1893, S. 260f. URL:https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=mdp.39015074631832;view=1up;seq=157

Übersetzungen entnommen aus Hartmut Hegeler (2016): Lesebuch zum Thema „Hexen“ und „Zauberei“ in Predigten, Vorlesungen, Tischreden von Martin Luther.

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