Der Begriff Hexe

Der Begriff der Hexe entsteht erst zum Ende des Mittelalters. Er wird quasi neu geschaffen aus älteren Begriffen wie Hägare, Hagazussa oder Hagia (griechisch) – die Weise, die Wissende, meist ältere Frau, die abseits des Dorfes lebt… auf dem Hag. Hag bedeutet dorniges Gestrüpp, „dornige Hecken“ am Rande des Dorfes, der Gemeinschaft.

Sprachgeschichtlich verbunden wird das Wort Hexe auch mit hagazussa, der „Zaunreiterin“ zwischen den Welten… Diese kann vermitteln zwischen Leben und Tod. Sie ist die Besondere, die Unverständliche, die Nicht-Leicht-Zu-Verstehende, eine Wissende. In einigen Sagen ist sie die femina Saga, die weise Frau.

Die feministische Autorin Erika Wisselinck1 schreibt 1987: Hexe ist kein alter Begriff der deutschen Sprache. Im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens heißt es: „Der Inhalt des Wortes Hexe wurde durch die kirchliche und staatliche Gesetzgebung festgestellt und zuerst durch die Ketzer-Inquisition zusammengefasst. Der neue Begriff Hexe war um 1480 fertig.“2

Mit Hexe wurden ab dieser Zeit viele ältere Begriffe ersetzt wie z.B.: Furien – die Rachegöttinnen der griechischen Mythologie; striga – Vogelfrau oder Eule3; herbaria – Kräuterfrau oder lamia – Holzweib. Später wird Hexe zur Veneficia – zur Giftmischerin im negativen Sinn. Im geschlechtsbezogenen Kontext gibt es auch: Magus – der Magier, der Weise; Incantor – der kräuterkundige Beschwörer und später den Hexer.

Während der römischen Antike wurde an Zauberei als reale Handlung geglaubt und ihr Missbrauch (maleficium „das Böse Tuende“) bereits unter Strafe gestellt.4 Die Vorstellung, dass Menschen mit Hilfe von Dämonen andere Menschen schädigen können, galt bereits im Alten Testament als Götzendienst und wurde u.a. mit dem Tod durch Steinigung bestraft.(Exodus 22,17).5

Der Kirchenlehrer Augustinus (um 400) entwickelte (u.a. aus antiken und jüdischen Dämonen-Interpretationen) die Lehre vom Dämonen-Pakt, die später in der Theologie des Mittelalters von 1230 – 1430 zur wissenschaftlichen Begründung des Hexenglaubens herangezogen wurde.

Auch im Früh- und Spätmittelalter findet man in den (heute noch vorhandenen) Rechtsbüchern die Bestrafung von Zaubernden. Das in Deutschland sehr weit verbreitete Buch zur Rechtssprechung „Sachsenspiegel“ (entstanden ca. 1220) sah für Schadenszauber die Todesstrafe vor, ausgeführt durch die Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen. Zudem wurde Zauberei bereits als „Unglauben“ dargestellt, als „Abfall vom christlichen Glauben“. In den Jahrhunderten zuvor waren Zauberei und Magie als normaler Teil des Lebensalltages akzeptiert – und wurden noch nicht in Verbindung gebracht mit mangelndem christlichen Glauben. Der Glaube daran, dass Zauberei möglich ist und mit ihrer Hilfe Positives wie auch Negatives bewirkt werden kann, war seit Jahrtausenden weltweit durch alle Schichten verbreitet… auch in der Gesellschaft des europäischen Mittelalters.

Im Mittelalter verschärften theologische Autoritäten wie Thomas von Aquin (Dominikaner-Mönch, Philosoph, Theologe, 1225 – 1274) die Theorie von Augustinus, die zwischenzeitlich an Bedeutung und Akzeptanz verloren hatte. Nach von Aquin kann kein Mensch allein einen Schaden wirken. Sondern ein Schadenszauber, das Maleficium, ist nur möglich, „mittels eines Paktes mit dem Teufel“. Diese „wissenschaftliche Lehrmeinung“ brachte Zauberei damit grundsätzlich mit einem Teufelspakt in Zusammenhang. Und Menschen, die „besonders wenig an Gott glaubten“, waren dafür besonders „empfänglich“. Dies sollten vor allem Frauen sein.

Bereits während der Inquisition, der Ketzerverfolgung ab 1212 wurden Häretiker (vom Glauben abgefallene Menschen) der Zauberei verdächtigt. Einigen der Ketzerei verdächtigte Gruppen wurde durch die kirchliche Inquisition bereits im 11. Jh. unterstellt, dass sie auf ihren Zusammenkünften und Versammlungen Christus verleugneten.

Diese Zusammenkünfte wurden von den kirchlichen Verfolgern „Sabbat“ genannt. Sabbat bezeichnet den jüdischen Ruhetag, an dem keine Arbeit verrichtet wird. Das Wort Sabbat für die Zusammenkünfte der „Ungläubigen“ zu verwenden, bedeutet auch eine Abwertung des jüdischen Feiertages. Diese „Sabbats“ sollen im Dunkeln an sehr abgelegenen Orten stattgefunden haben. Um den Hexen-Sabbat überhaupt erreichen zu können, müssen Hexen durch die Luft fliegen können – so dem Aberglauben des Volkes entsprechende Erklärung.

1431 – 1449 auf dem Konzil von Basel begann eine umfassende Diskussion der katholischen Kirche zur Hexerei, die die bisherigen Ketzer- und Zaubereiprozesse überlagerte und zum Beginn der Verfolgung der Hexen führte.

1484 erlässt Papst Innoncens VIII. die Hexenbulle – ein kirchliches Dekret, eine verbindliche rechtliche Anordnung. Verfasst wurde die Bulle von Heinrich Institoris (1430 – 1505), Dominikaner-Mönch und päpstlicher Inquisitor.

Die Hexenbulle ist gerichtet gegen „sehr viele Personen beiderlei Geschlechts, die mit ihren Bezauberungen die Geburten der Weiber umkommen machen und verursachen… dass die (Menschen) nicht zeugen, die Frauen, dass sie nicht empfangen, und die Männer, dass sie die ehelichen Werke nicht leisten können. …“6

Damit bestätigte der Papst offiziell die Existenz der Hexerei. Es begann die Periode der kirchlich geforderten Hexenverfolgungen in Mitteleuropa.

„Es soll also überhaupt keinem Menschen erlaubt sein, diese Urkunde unserer Kundmachung und Auftrages zu entkräften oder sich ihm in verwegener Tollkühnheit entgegenzustellen. Wenn jemand dies zu unternehmen sich anmaßen würde, soll er wissen, dass er den Unwillen des allmächtigen Gottes… auf sich ziehen wird.“7

Das bedeutet: Jeder Widerstand bedeutet eine strafbare Handlung.

Am 05.12.1484 übertrug der Papst den beiden Dominikaner-Inquisitoren Heinrich Institoris und Jakob Sprenger umfangreiche Vollmachten. Damit sollten in Deutschland besonders verbreitete, magische Praktiken bekämpft werden und sie konnten dabei mit besonderer Härte gegen Verdächtige verfahren.

malleus lat. – bedeutet: Werkzeug
Maleficarum lat., zusammengesetzt aus male
(„schlecht“) und dem Verb facere („tun“) –
bedeutet: „Böse Tuende“ (weiblich)
Malefica – bedeutet: die Übeltäterin, die Hexe

1486 veröffentlicht Heinrich Institoris zusätzlich den Hexenhammer (Malleus Maleficarum): Theorien zu „Ursachen und Gründen der Hexerei“ wie auch Anweisungen zur Verfolgung und Befragung, durch die Frauen zutiefst erniedrigt wurden. Der Hexenhammer erschien bis 1669 in 29 Auflagen.

In Berufung auf die Hexenbulle wird hier u.a. behauptet, „…dass die Hexen-Hebammen auf siebenfache Weise die Empfängnis im Mutterleib verhindern können.“ Durch die Benutzung der weiblichen Form „Maleficarum“ wird deutlich, dass es vordergründig um die Verfolgung von Frauen geht.

Seit Jahrtausenden waren Magie und Zauberei wichtiger und untrennbarer Teil von heilenden Ritualen. Solche Heil-Handlungen wurden jetzt neu bewertet. Aus Veneficum (lat.) – gebräuchliche Bezeichnung für positiv heilende magische Pulver und Kräutermischungen – wird die Venefica, die Giftmischerin. Aus überlieferten Ritualen, die die heilende Wirkung von Kräutern mit Beschwörungsversen oder magischen Gegenständen (Amuletten) verbanden, wurde das maleficium – die Hexerei. Heil-Anwendungen außerhalb der Klöster waren somit unter Verdacht (Ausnahme: neu entstehende Apotheken).

1530 und 1532 legt die „Peinliche Halsgerichtsordnung“ Kaiser Karls V. fest:

„…so jemandt den leuten durch zauberey schaden oder nachtheyl zufügt, soll man straff en vom leben zum todt, vnnd man soll solche straff mit dem fewer thun.“ (109. Artikel „Straff der zauberey“)

Fünf Hauptelemente des strafrechtlich neuen Deliktes der Hexerei:

  • Teufelspakt
  • Teufelsbuhlschaft
  • Flug durch die Luft (Hexenflug) zum
  • Hexensabbat, auf dem Gott abgeschworen und der Teufel angebetet wird
  • Schadenszauber

Nach verstärkten Miss-Ernten und der Klima-Verschlechterung wurde der Vorwurf des Schadenszaubers auch genutzt, um jemanden die Schuld daran geben zu können.

„Hexen schaden auf Siebenerlei Art“:

  • Liebe einflößen
  • Hass einflößen
  • Zeugung und Empfängnis verhindern
  • Siechtum an einem Glied erzeugen (lat.Original: „impotentia ex maleficio“)
  • Menschen des Lebens berauben
  • Menschen des Verstandes berauben
  • sie auf eine der o.g. Arten in ihren Sachen o. Tieren schädigen

Diese Aufzählung der Schadensarten zeigt, dass es auch um die Verfolgung eines Wissens ging – des Wissens um Verhütung, Geburtenregelung und Sexualität. Die Hexenverfolgung richtete sich gegen Frauen – nicht nur „weil sie schwächer im Glauben sind“ (Hexenhammer). Frauen bedrohten die kirchliche Lehre seit Beginn durch ihre biologischen Fähigkeiten. Die Behauptung „… geboren von der Jungfrau Maria“ ist schwer zu glauben, da besonders Frauen darum wissen, dass eine Frau nur nach Geschlechtsverkehr mit einem Mann schwanger werden kann.

Das Interesse der Kirche an der Hexenverfolgung war mehrfach begründet: Zum einen stellten unverheiratete, selbständig arbeitende und lebende Frauen durch ihre Existenz das Frauenbild der Kirche in Frage und damit die Durchsetzung der ausschließlich männlich dominierten kirchlichen Lehre. Zum anderen brauchte die Kirche als größte Landbesitzerin in Mittel- und Westeuropa überall Arbeitskräfte – war folgend wirtschaftlich an entsprechenden Geburtenzahlen interessiert. Durch die Pest lagen Landstriche verödet und es herrschte ein hoher Arbeitskräftemangel. Für Landarbeit wie auch für kriegerische Auseinandersetzungen brauchte es Menschen.

Das Interesse des weltlichen Adels war aus den gleichen Gründen ebenfalls ein wirtschaftliches. Hinzu kam die Furcht vor göttlichen Strafen (siehe Hexenbulle). So kam es zu einer Vereinigung dieser Interessen – und folgend zu einer gezielten Verfolgung von Frauen. Diese Verfolgung entwickelte eine grausame Eigendynamik. Letztendlich konnte es jede und jeden treff en. Territorial gab es aber große Unterschiede. Es gab Fürsten oder Grundherren, die auf ihren Hoheitsgebieten die Hexenverfolgung nicht unterstützten.

Die Kirche nutzte für die Verfolgung von Hexen ihre Erfahrungen, Mittel und rechtlichen Verwaltungsstrukturen der Inquisition. Die Hexen gehörten zu den von der Kirche verfolgten Menschen, weil sie angeblich gegen die kirchliche Lehre mit dem Teufel paktierten. Mit den Hexen wurde strafrechtlich eine neue Personengruppe geschaffen.

Häretiker, Ketzer: Diese konnten bei Reue begnadigt werden.
Hexen: Die mussten in jedem Fall vernichtet werden.
Ketzerei: ist ein geistlicher Schaden; Irrtum des Glaubens
Hexerei: ist ein zeitlich orientierter Schaden und eingreifend in bürgerliche wie materielle Belange. Daher ging bzw. geht sie in die weltliche Gerichtsbarkeit ein. 1419 taucht das Wort Hexe das erste Mal in einem weltlichen Strafprozess in Luzern auf.8

Die Trennlinie zwischen Hexerei und Heiligkeit war schmal. Dieselben Begabungen oder Geschehnisse konnten als Zeichen von Heiligkeit als auch als Zeichen der Ketzerei, der Zauberei, der Besessenheit ausgelegt werden. Diese Ambivalenz findet sich im gesamten Mittelalter. Für diejenigen, für die Hexerei (Teufelswerk) wahrhaftig existierte, war Hexerei ein absichtlich, bewusst schadendes ausgeübtes Tun.

Die Reaktionen auf den Hexenhammer waren zwiespältig. Es gab öffentliche Ablehnung und Verweigerung in der Bevölkerung, bei Juristen, Theologen und weltlichen Herrschenden im gesamten deutschen Sprachraum. Denen gegenüber standen sehr bekannte Befürworter der Hexenverfolgung wie z.B. Martin Luther, der große Teile der reformatorischen Bewegung stark beeinflusste; ebenso wie Paracelsus weite Teile der Naturwissenschaften.8

 

Quellen:

1. Wisselinck, Erika: Hexen. Warum wir so wenig von ihrer Geschichte erfahren und was davon auch noch falsch ist. München: Frauenoffensive 1987

2. Bächtold-Stäubli, Hans (Hrsg.); Hoffmann-Krayer, Eduard: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Berlin : Verlag Walter de Gruyter, 1987, Nachdruck der Ausg. Berlin 1927-42

3. Kluge, Friedrich; Götze, Alfred: Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache, 14., unveränderte Auflage 1948, Berlin: Verlag Walter de Gruyter

4. Heim, Manfred: Von Ablass bis Zölibat, kleines Lexikon der Kirchengeschichte / Lexikon des Vatikans 2008, C.H.Beck Verlag

5. Jilg, Waltraut: „Hexe“ und „Hexerei“ als kultur- und religionsgeschichtliches Phänomen, 1999, in: Schwaiger, Georg [Hrsg.]: Teufelsglaube und Hexenprozesse, München 1999, Beck’sche Reihe

6. Hexenbulle, Papst Innozenz VIII. 1484

7. ebenda

8. Lorenz, Sönke; Midelfort, H. C. Erik: Hexen und Hexenprozesse. Ein historischer Überblick, in: historicum.net, URL: https://www.historicum.net/purl/aj/ Zuletzt geändert: 04.04.2006

9. Behringer, Wolfgang: Hexen und Hexenprozesse in Deutschland, dtv. 1988, Zweites Kapitel

Grafik aus: Heinrich Institoris: Malleus Maleficarum

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